Nach drei Spielen ohne Gegentor waren die Schalker hoffnungsvoll, besonders weil die Bayern (bisher) selten souverän aufgetreten waren. Kellers Idee war es über Zweikämpfe ins Spiel zu kommen und die Bayern mit viel Druck in Zaum zu halten. Leider kam es andersrum, die Schalker kamen nicht in die Zweikämpfe und die Bayern erzielten mehr als doppelt so viel Ballbesitz (31,4% zu 68,6%).

Grundformation: FC Schalke 04 - FC Bayern München
Grundformation: FC Schalke 04 – FC Bayern München

Das machten die Bayern

Viel wurde über das Zaubersystem Guardiolas gesprochen, dieses 4-1-4-1. Auf Grund der starken Blockbildung im Mittelfeld und im Angriff sehe ich es eher als ein 4-3-3 System. Robbery vorne mit Mandzukic in der Mitte. Die 4er-Kette hinten mit Rafinha-Alaba auf den Flügeln.

Im Mittelfeld trieben Lahm, Schweinsteiger und Kroos ihr Unwesen. Auch wenn er das jetzt schon häufiger gespielt hat, irritiert es mich immer noch ein bisschen Lahm auf der 6 zu sehen. Davor agierte Schweinsteiger als 8er und Kroos als 10er. Zumindest gelegentlich. Denn eigentlich wechselte das die ganze Zeit. Schweinsteiger und Kroos stießen auch gelegentlich mal mit in die Spitze, und alle drei ließen sich gelegentlich weit nach hinten fallen. Lahm kippte, vor allem zu Spielbeginn, häufig zwischen die Innenverteidiger, aber auch die anderen beiden zeigten gelegentlich das gleiche Muster. Gelegentlich bildeten Lahm und Schweinsteiger die Doppel-6, gelegentlich Schweinsteiger und Kroos eine Doppel-8…

Kurz: Das Mittelfeld der Bayern war extrem fluide. Jeder der drei versuchte da zu sein, wo er gebraucht wurde, feste Rollen gab es fast nicht. Lediglich Lahm schien für das Aufbauspiel reserviert zu sein. Ähnlich wie Busquets bei Barcelona wurde Lahm von Neuer und Innenverteidigern gesucht, wenn es um einen geregelten Spielaufbau ging. Egal ob er dabei abkippte wie zu Beginn des Spiels, oder nicht.

Das versuchte Schalke

Keller löste seine viel gelobte (besonders der Spielverlagerung Artikel ist lesenswert) und erfolgreiche (drei Spiele Gegentorfrei) Doppel-6 aus Neustädter und Höger auf und schickte Jones für Höger auf den Platz. Es schien (und Spieler wie Trainer bestätigten das anschließend in Interviews), als wollte Keller den Bayern mehr Druck machen, den direkten Kontakt suchen und so das Leben schwer machen. Jones ist deutlich Mannorientierter als Neustädter oder Höger, die beide eine gute Nase für den Raum haben. Jones‘ Aufgabe war es häufiger herausrücken und Druck auf den Ballführenden machen. Das 4-4-2 Pressing in der Defensive sollte also aggressiver als zuletzt gespielt werden.

Jones sollte sich außerdem lose um Kroos kümmern. Da dieser jedoch quasi durchgängig mit Schweinsteiger und Lahm die Positionen änderte, gestaltete sich das sehr schwierig. Jones ließ sich häufig von Kroos aus der 4er-Kette im Mittelfeld ziehen, der so eröffnete Platz wurde dann mit schlichter Regelmäßigkeit von Schweinsteiger, Alaba oder Rafinha bespielt.

Offensiv versuchte Schalke seine überfallartigen Konter anzubringen. Das Spiel war aber viel zu behäbig und nahm selten wirklich Fahrt auf. Sicherlich ist das bei dem Gegner nicht leicht, aber immer wenn Momentum aufgebaut werden konnte wurde es gefährlich vor Neuers Tor.

Die Schlacht im Mittelfeld

Zu Beginn des Spiels wirkte es ein bisschen, als hätten die Bayern Angst vor Schalke. Sie spielten sehr vorsichtig. Während der ersten 15-20 Spielminuten kippte Lahm beim Spielaufbau viel zwischen die Innenverteidiger und die Außenverteidiger blieben relativ starr auf ihren Positionen. Bis dahin hatten die Schalker das Mittelfeld mehr oder weniger gesichert. Doch dann wurde es deutlich voller.

Lahm positionierte sich jetzt ein Stück vor der Abwehr. Noch in direkter Verbindung, aber eben nicht mehr dahinter. Dazu rückten die Außenverteidiger regelmäßig ins Mittelfeld mit ein (Spielverlagerung spricht gar von einem falschen Außenverteidiger). Konsequent wurde so das Mittelfeld ständig von Bayern-Spielern überladen (Mandzukic, Robben & Ribery waren natürlich mit von der Partie), der Ball zirkulierte von Überzahlsituation zu Überzahlsituation.

Kurz nach dieser Umstellung fiel das erste Tor. Und kurz darauf das zweite. Gegen diese Umstellung fehlten Schalke die Mittel. Statt zur zuletzt sehr stabilen Doppel-6 zurückzukehren und Höger für Neustädter zu bringen wirkt auf mich geradezu zynisch: Jones hat sich viel aus der Abwehr ziehen lassen und Räume für die Bayern geöffnet, Neustädter hat diese Löcher gestopft, Bälle abgefangen und Räume geschlossen wo es ging.

Doch viel änderte sich nicht. Schalke versuchte ständig das schlimmste zu vermeiden und verbrannte viel Energie darauf Kompakt zu stehen und zu verschieben so gut es ging um es den Bayern nicht zu leicht zu machen. Dadurch ging den Blauen dann irgendwann die Puste aus. Angriffe wurden immer seltener und langsamer. Weniger Spieler trauten sich in die gegnerische Hälfte und wenn Schalke es mal an die Grundlinie schaffte, waren Ideen Mangelware. Wieder einmal krankte es daran, das Spiel auf die andere Seite zu verlagern. Oft stand ballfern ein Mittelfeld oder Flügelspieler frei, mit reichlich Platz. Ungenutzt.

Je weiter das Spiel voran schritt, desto weniger Energie hatten die Schalker das Spiel nochmal zu deren Gunsten zu beeinflussen. Letztendlich fehlte eine Idee, dieses Oktoberfest im Mittelfeld aufzulösen oder etwas entgegenzusetzen.

Fazit

Ich glaube, dass die Bayern tatsächlich eine andere Klasse sind als der Rest der Liga, wie das ja nach dem Spiel so gern geschrieben wurde. Dass sie genau beim Schalke Spiel zu Höchstform auflaufen werte ich mal als schlechtes Timing. Für mich persönlich gelten die Bayern mit einer solchen Leistung jedenfalls zum Top-Favoriten für die Champions League, zumindest wenn sie es schaffen, diesen Stil der totalen fluidität weiter zu festigen und vielleicht sogar noch weiter voran zu treiben.

Guardiola hebt die Spielerposition quasi auf und alles definiert sich Situationsbedingt. Alle Spieler sind immer bemüht Überzahlspiel zu schaffen. Egal wo und egal durch wen. Die dadurch frei gewordenen Stellen im Spielsystem werden dann situativ besetzt, und zwar immer von dem, der halt gerade in der Nähe ist. So manövrierte sich etwa Mandzukic mal in die Rechtsverteidiger Position und Rafinha ins offensive Mittelfeld. Wenn das so weiter geht, rechne ich in der nächsten Saison mit einem fliegenden Torwart.

Trotz alledem kann ich nicht nachvollziehen, wie Keller auf die Idee kam den FC Bayern, ein Haufen aus passstarken und pressingresistenten Spielern, über Zweikämpfe stellen zu wollen. Zumal Schalke in dieser Saison noch überhaupt nicht über Druck und Aggressivität kam, sondern ausschließlich ein passives Pressing anwendet, das dafür aber in den letzten Partien recht sicher. Besonders die 6er Neustädter-Höger machten den Raum dicht und ließen kaum Chancen zu. Keine Gegentore in den letzten drei Spielen haben das deutlich gezeigt. Jones wieder reinzuwerfen ist in meinen Augen grob Fahrlässig.

1 Reply to “Schalke 04 – Bayern München, 0:4

  1. Leider war es so, daß die Bayern unglaublich stark waren. Nach dem 0:2 fehlte dann auch der Glaube das Spiel zu drehen. Was in meinen Augen nur mehr als Menschlich ist. Nicht die Schalker waren so schwach, sondern die Bayern so stark.
    Über die Jones-Personalie und über das Schalker System lässt sich sicher diskutieren, aber der Gegner ist nicht unser Maßstab. Ob man sich nun mit Bayer04 und BxB09 misst, oder sich doch weiter unten ansiedeln muss, werden die kommenden 10 Tage zeigen. Entweder knüpft man an die „zu-null“ Serie an, oder der Trainer bekommt seine Idee doch nicht vermittelt.

    Gruß
    Jörg

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert