Kurz nach dem Spiel erklärte Huntelaar, dass man gegen einen solchen Gegner eigentlich nur zwei Chancen hätte. Entweder Du stellst Dich hinten rein oder Du attackierst früh und hoch. Interessanter Weise probierte Schalke beides. Das eine Erfolgreich, das andere nicht so wirklich…

Die Grundformationen zu Spielbeginn.
Die Grundformationen zu Spielbeginn.

Der Süden

Vor dem Spiel äußerte sich Guardiola sehr Respektvoll gegenüber Schalke. Er betonte immer wieder, dass man die Liga noch lange nicht gewonnen habe und dass Schalke immer ein gefährlicher Gegner sei. Was eigentlich schnell als typisches Gerede abgetan werden könnte, meinte der Trainer wirklich ernst. Zumindest konnte man das am Spiel in der ersten Halbzeit deutlich erkennen, das Risiko hielt sich sehr in Grenzen.

Die Bayern wechselten ein bisschen durch, aber nicht so wie es Dortmund in der Vorwoche tat. Hier war keine B-11 am Start, sondern die Spieler waren nur auf anderen Positionen zu finden. Aber dafür ist Guardiola ja bekannt. Außenverteidiger Lahm spielte auf der 8, 10er Götze ebenfalls, dafür war 8er Vidal der 6er. Letzterer spielte auch genau so, bilanzierte die Bewegungen der 8er und Außenverteidiger, unterstützte die Innenverteidiger und leitete Angriffe ein. Dass der defensivere Lahm weiter vorne war als der eigentlich offensivere Vidal, ist ein Zeichen dafür, nicht zu viel Risiko gehen zu wollen.

Insgesamt formierten sich die Münchener in einem 4-3-3, wobei Götze sich fast ausschließlich in den Halbräumen aufhielt und den jeweils ballnahen Flügel unterstützte. Dazu wirkten die offensiven Außen und die Außenverteidiger als enges Pärchen. Mit Unterstützung aus dem Zentrum bahnten sie sich jeweils regelmäßig den Weg in Richtung Grundlinie. Allerdings war die Unterstützung auch meist auf die 8er begrenzt. Selten wurde wirklich Risiko gegangen und mit einer Vielzahl von Spielern versucht die Schalker auszuspielen.

Wichtig war den Bayern zu sein, dass der Rückraum gut besetzt ist. Man hatte Angst vor Kontern. Die Staffelung hinter der ersten Reihe war zu jeder Zeit so gut, dass Konterversuche meist direkt im Gegenpressing erstickt wurden. Kaum ein Ball kam durch. Und wenn doch mal, dann waren die Roten auch schnell wieder mit so vielen Spielern hinten, dass Schalke eigentlich keine ernstzunehmende Gefahr aufbauen konnte.

Übrigens muss ich etwas relativieren. Wenn ich hier schreibe, dass der FC Bayern versuchte kein zu großes Risiko einzugehen, dann muss das im Maßstab verstanden werden. Über weite Teile der ersten Halbzeit war die einzige Person in der Hälfte der Bayern Manuel Neuer. Ganz allein. Mit schlichter Regelmäßigkeit befanden sich beide Innenverteidiger näher dem Schalker Tor als dem eigenen. Gleichzeitig attackierten aber eben nicht alle Reihen davor. Vielmehr war es wichtig so zu attackieren, dass Gegenstöße direkt abgefangen werden konnten. Und das funktionierte sehr gut.

Der Westen

Schalke wollte ebenfalls sein Risiko minimieren, allerdings auf einem ganz anderen Level. Breitenreiter ging es in der ersten Halbzeit darum nicht zu verlieren. Darum baute er wieder seine 5er Kette auf und stellte eine 4er Kette direkt davor. Das ist recht schlau, weil die Staffelung sich so ergibt, dass die 4 ja in die Lücken der 5 passen. Es ergab sich also eine Art 9er Block, der vertikal extrem kompakt war. Oft genug konnten sich die Reihen gegenseitig die Hände reichen. Davor positionierte sich Klaas-Jan Huntelaar. Meist nicht weiter als bis zum Mittelkreis, aber oft genug auch nur drei Schritte vor dem 9er Block.

Die 5er Kette spielte aber deutlich anders als gegen Dortmund. Das lag vor allem an dem Verzicht auf die Offensive. Die Außenverteidiger blieben auf ihren Positionen und rückten nur auf, wenn Schalke tatsächlich den Ball bekam. Dadurch und durch die Konsequente Unterstützung der 4er Kette davor konnte Schalke auch wunderbar die breite decken ohne großartige Löcher zu offenbaren. Die Flügel waren immer abgesichert.

Der zweite große Unterschied in der 5er Kette war die Reihenfolge der Besetzung. Gegen die Gelben war Matip im Zentrum um die Bälle schnell nach vorne verteilen zu können. Diesmal stand Neustädter im Zentrum, seine Hauptaufgabe bestand darin die Leute um ihn herum zu coachen. In den ersten 20 Minuten sieht man ihn immer wieder wie einen Dirigenten herumwirbeln und den Mitspielern zeigen, wo sie stehen sollten.

fcb-s04_raeume

1. Halbzeit: Patt

Durch starke Mannorientierung und einen tiefen 10er Block schaffte es Schalke sich die Münchener vom Leib zu halten, weil diese ebenfalls gesteigerten Wert auf die Absicherung legten. Halt nur auf ihre ganz eigene Weise.

Gleichzeitig schaffte es Schalke durch das absichernde Bayern-Feld eben nicht seine Konter anzubringen.

Ergo: Patt. Ein klares 0:0, auch wenn die Bayern die ganze Zeit den Ball hatten.

Ich möchte hier erwähnen, dass Breitenreiter sehr wohl einen Plan hatte Tore zu schießen. Schalke ist berühmt berüchtigt für seine Konter. Das war der Plan. Allerdings, spätestens seit Herbst auch bekannt dafür diese nicht konsequent genug auszuspielen und viele gute Möglichkeiten versanden zu lassen. Dementsprechend war der Plan mit dem Toreschießen durch Konter ein bisschen wie ein Festhalten an Strohhalmen…

2. Halbzeit: Deckung runter genommen, Fresse poliert bekommen

Das war dem Schalke Trainer offensichtlich bewusst, und so ließ er etwas weiter nach vorne agieren. Die beiden Abwehrketten standen jetzt nicht mehr ganz so tief und deutlich nicht mehr so kompakt, außerdem wurde München jetzt ein ganzes Stück früher attackiert.

Leider hatte Guardiola einen ganz ähnlichen Plan. Auch er wollte jetzt mehr Risiko wagen. Unter anderem tauschte er dafür Lahm und Vidal. Dass Schalke aufmachte, spielte den Bayern damit voll in die Karten. Während es in der ersten Halbzeit quasi keinen Zwischenlinienraum gab, konnten sich da jetzt 3-6 Spieler gleichzeitig tummeln. So kam es in den ersten Minuten bereits vermehrt zu guten Abschlüssen der Münchener und das erste Tor ließ auch nicht lange auf sich warten.

Jetzt musste Schalke Druck machen und fing sich noch mehr Torschüsse. Passende Offensivqualität mit Belhanda und Meyer, kamen erst nachdem die Bayern schon ein bis drei Gänge runter geschaltet haben. Die beiden können gut in engen Räumen agieren, haben ein gutes Raumgefühl und die nötige Geschwindigkeit, die Schalke bei Angriffen gut getan hätte. Doch so kam’s nicht.

In der letzten Viertelstunde gab Riether dann noch gelegentlich eine Art Libero. Das Spiel war längst gelaufen, darum war der Einfluss marginal. Aber interessant anzusehen war es schon.

Fazit

Eine Niederlage gegen Bayern München darf man nicht zu hoch hängen, zumindest nicht wenn man um den Einzug in den Europapokal bangt. Sondern man sollte die Frage nach dem wie stellen. Schalke igelt sich ein und schafft ein 0:0, so hat Mainz gegen die Bayern gewonnen. Dann versucht Schalke Offensivgeist zu beweisen, scheitert in erster Linie an sich selbst und bekommt dann noch 3 Tore eingeschenkt. Letztlich ist es das alte Thema Chancenverwertung. Aber, was deutlich zu erkennen war ist die taktische Flexibilität mit der Schalke inzwischen zu agieren im Stande ist. Der 10er Block funktionierte prima. Nach der Umstellung und nachdem das passende Personal endlich auf dem Feld war, lief das auch ganz gut.

Aber klar, genutzt hat’s nix.

16 Replies to “Deckung oben, Deckung unten.
FC Bayern München – FC Schalke 04, 3:0

  1. Danke. Ich könnte das Spiel leider nicht sehen, aber die endlosen miesen Kommentare haben den Eindruck aufkommen lassen, Schalke hätte rein gar nichts auf die Kette bekommen. Das liest sich bei dir ganz anders. Auch dein Hinweis, auf die taktische Flexibilität ist interessant, gerade in Zeiten, in denen Breitenreiter als totaler Flop diskriminiert wird. Immer eine Bereicherung deine Analysen.

    1. Naja, so richtig viel kam von Schalke schon nicht, das ist schon richtig. Mir geht’s halt nur immer darum Gründe dafür zu suchen. Auch in Trainer-Diskussionen. Keller hatte ja immer das Problem für die falschen Dinge gelobt/kritisiert zu werden. Breitenreiter wird grad für alles kritisiert, pauschal. Das ist mir zu einfach…

  2. Die Wechsel kamen leider 10min zu spät. Man musste ja unbedingt noch auf das zweite Gegentor warten. Da war der Drops dann aber gelutscht.

    Die taktische Flexibilität in allen Ehren… Wir haben immer dann ein Problem, wenn der ursprüngliche Matchplan nicht aufgeht oder der Gegner geschickt umstellt. Das kann man meiner Meinung nach in nahezu jedem Spiel beobachten.
    Breitenreiter ist nicht in der Lage während des Spiels auf Anpassungen des Gegners zu reagieren. Seit der Rückrunde versucht er es wenigstens, aber das endet doch oft darin, dass noch weniger klappt. Am Samstag war das ein Paradebeispiel. Beide Trainer stellen im, Bayern gerät dadurch in einen Vorteil. Bis wir reagiert haben ist das Spiel entschieden.

    Nein, für mich ist das keine taktische Flexibilität sondern Hilflosigkeit.

    1. Ich hätte gesagt nicht nur 10 Minuten zu spät, sondern bei der Umstellung auf mehr offensive hätte mindestens einer der beiden kommen müssen. Also in der Halbzeit.

      Ich sehe das mit den Anpassungen Breitenreiters ein bisschen anders. Nimm etwa das Spiel gegen Gladbach letztens. Da reagiert Breitenreiter und stellt mehrfach um. Jede Anpassung war in der Situation Goldrichtig. Trotzdem blieb der Gegner stärker. Kritisieren wir dafür jetzt Breitenreiter, die Mannschaft, den Gegner oder das Wetter?

      Das Bayern Spiel stellt für mich eine Ausnahme dar, ansonsten wüsste ich kein Beispiel in der eine Umstellung die Situation verschlechtert hat. Du?

      Der Vorwurf, dass Breitenreiter zu spät wechselt ist leicht zu erklären, bringt mich aber auch regelmäßig zur Verzweiflung. Er glaubt an das Team und möchte ihnen die Chance geben das Ganze hinzubiegen. Das ist ein Stil, der bei einer so jungen Truppe sicher nicht nur dumm ist. Seine Wechsel kommen ja immer dann, wenn es allerhöchste Eisenbahn ist einzugreifen. Gefühlt seeehr spät. Aber das würde ich nicht als Hilflosigkeit abstempeln.

  3. Tja. Ist es klug, den Matchpöan gegen München zu ändern, nachdem der eigentliche gut funktioniert? Gerade wenn davon auszugehen ist, das Pep etwas ändern wird und offensiver aufstellt? Meinem Gefühl nach ist die Deffensive einfach zu langsam. Schnell spielende Mannschaften überfordern uns. Und dies trifft auch auf die zweite Hälfte zu. Und warum werde ich bei null null in der zweiten Hälfte in München offensiver? Gerade wenn die Mauertaktik gut funktioniert? Und ab zwei oder drei null nutzt ein Wechsel nicht mehr viel.

  4. Was das Konterspiel der Schalker angeht, fand ich die Partie gegen Bayern noch einmal sehr aufschlussreich. Sie haben sich bei Balleroberung in der hinteren Kette oftmals sehr sauber und kombinativ stark durch das Gegenpressing der Bayern arbeiten können und damit im Vergleich zu anderen Teams in der Arroganz-Arena eine beachtliche Anzahl von Konterchancen erarbeitet (z.B. deutlich mehr als Mainz aus der gleichen Formation heraus). Das war teilweise sehr schön anzusehen und durchaus sehr planmäßig. Nur dann haben Sane oder Hjöjberg den Ball und keine Idee wie sie den Konter ausspielen sollen. Das heisst, das Grund-Manko der Saison, nämlich was mache ich im letzten Drittel, ob im Konter oder im eigenen Ballbesitzspiel, reißt alle anderen positiven Themen (a) gar nicht mal so schlechtes Aufbauspiel, b) taktische Variabilität, c) Flexibilität, b) Ansätze zu Ballbesitzspiel) im Resultat, und dann auch in der öffentlichen Wahrnehmung in den Abgrund.

  5. Hallo Karsten, vielen Dank für Deine, wie immer, sehr sachliche, sehr gute Analyse.
    Bei mir fängt das Problem schon an, wenn Max Meyer auf der Bank sitzen bleiben darf. Wenn schon die „Einigel-Taktik“ hätte ich Huntelaar geschont und auf Meyer gesetzt. Meine größte Sorge ist, das Meyer vergrault wird. Schon di Matteo konnte wenig mit ihm anfangen und Breitenreiter hält wohl auch nicht so sehr viel von ihm.

    1. Das glaube ich nicht. Meyer nicht zu bringen gegen die Bayern macht Sinn, weil er als Konterspieler nicht gut ist, und defensiv nicht robust genug. Meyer ist wichtig, wenn Ballbesitzspiel gefragt ist, also eher gegen alle außer den Baxern.

      1. Hallo Zeitspieler, ich glaube, dass Breitenreiter sehr wohl weiß, was er an Meyer hat. Gleichzeitig ist er aber auch ein sehr spezieller Spieler, der in manchen Systemen einfach schwer einzubauen ist, wie es ja ES auch gut beschrieben hat.

        Persönlich finde ich aber, wenn die Mannschaft auf offensive umgebaut wird, hätte Meyer kommen müssen. Denn in der Enge, die von Bayern ja zu erwarten war, kommt er gut klar. Aber das ist es ja nicht geworden, oder erst spät.

  6. Hallo, ich denke dass wir einen Trainer brauchen, der ein Spielsystem um die Grundpfosten Goretzka, Meyer und Geis aufbaut, einen Trainer, der nicht ständig wieder versucht, eine reine Kontermannschaft aufzubauen, denn dann wird Meyer überflüssig. Außerdem sollten Knappenschmiede und Spielsystem ebenfalls harmonieren. Natürlich war es unter di Matteo noch einseitiger.

    1. Ich glaube es wäre sinnvoll ein gesamtkonzept zu erarbeiten, über alle Mannschaften hinweg. Aber sowas sagt sich leichter als es getan ist. Im Endeffekt kannst Du Dir damit auch ein Korsett aufzwängen, aus dem Du nicht rauskommst, wenn es eigentlich richtig wäre. Hatte der DFB 2010 nicht genau soein Problem?

      Aber vielleicht muss es ja gar nicht so extrem wie bei Ajax oder Barca sein. Ein paar Grundprinzipien auf die sich alle Mannschaften stützen wären ja sicher schonmal ein guter Anfang.

      Das mit der reinen Kontermannschaft habe ich schon häufig überlegt. Ich hab so ein bisschen die Vermutung, dass da noch viel an dem Geist von Julian Draxler hängt. Außerdem würde Breitenreiter sicher gern dominanter spielen lassen, aber da fehlt’s ja letztlich an Konstanz.

  7. Mal wieder lesenswerte Analyse, begrüßenswert sachlich und ein schöner Ausgleich zum regelmäßigen schwarz/weiß sehen der meisten Fans und Medien. Wovon ich mich explizit gar nicht ausnehmen möchte. 😉

  8. Hallo Karsten, danke für Deine Stellungnahme zum Gesamtkonzept. Für die Nationalmannschaft habe ich mich immer weniger interessiert. Ich bin halt Schalke Fan seit fast 50 Jahren, Bei Breitenreiter glaube ich nicht, dass da noch „der Geist von Draxler“ lebt, eher der „Geist von Paderborn“, mit der für ihn extrem erfolgreichen Zeit. Breitenreiter ist ja auch noch sehr jung. Freue mich schon auf Deine Analyse im übernächsten Spiel in Hannover, also falls Du die Zeit dafür hast. In Hannover ist extrem viel passiert. 3 völlig verschieden Trainertypen. Nach Frontzeck und Schaaf jetzt Daniel Stendel, der innerhalb von wenigen Tagen sehr viel verändert hat. Deine Analysen beleuchten ja meistens die Taktik beider Teams. Das erfolgreiche Gesamtkonzept für Schalke, erhoffe ich mir einfach von Heidel.

    1. Hannover ist interessant. Die pressen nach 3 Spielen bei einem anscheinend ordentlichen Trainer schon besser als Schalke. Neben der mangelnden Taktik im Offensivdrittel ist das Pressing unter BR meine größte Enttäuschung. Die Abwehrspieler werden schlecht angelaufen, die Aktionen sind schlecht koordiniert, die Mannschaftsteile harmonieren nicht, selten entsteht Druck und die vorderste Reihe. Ich möchte mal wissen, wie das in Paderborn war.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert