Fünf neue Spieler kamen zu ihrer Heimspiel-Premiere in die Startelf. Auch für Weinzierl war’s der erste Auftritt zuhause. Und auch, wenn’s schon das dritte Saisonspiel war, so hatten die Fans doch zum ersten Mal ein neues Schalke zu bestaunen.

Die Grundformationen in der ersten Halbzeit.
Die Grundformationen in der ersten Halbzeit.

Im Pokal in Villingen und der Liga in Frankfurt spielte Schalke sehr vergleichbar zu dem was es in der Vorsaison zu sehen gab. Inklusive des sauberen Aufbauspiels und der Probleme mit der Vertikalität. Das ist Fans wie Verantwortlichen aufgefallen, Verbesserungen wurden gefordert und versprochen. Dass das Ganze dann so schnell folgen sollte, überrascht allerdings schon ein wenig. Aber der Reihe nach…

Für Mannschaften mit wenigen Nationalmannschaftsspielern sind Pausen für Internationale Spiele immer eine gute Gelegenheit sich etwas zu regenerieren und auf den nächsten Gegner vorzubereiten. Für Mannschaften mit vielen Nationalmannschaftsspielern ist allerdings das Gegenteil der Fall. Die wichtigsten Spieler sind weg und kommen erst kurz vor dem nächsten Pflichtspiel im Club wieder. Hüben wie drüben wurde darunter gelitten. Bayerns Arturo Vidal kam erst Stunden vor Anpfiff aus Südamerika zurückgereist, die ganzen späten Neuzugänge von Schalke auf der anderen Seite kamen zum Teil erst nach den Länderspielen zu ihren ersten Trainingseinheiten auf dem Berger Feld überhaupt. Beide Mannschaften haben das ganz gut kompensiert, es besteht aber auch noch Steigerungspotenzial.

Der Rekordmeister

Pep Guardiola hat stärker auf situative Raumaufteilungen gesetzt als es Carlos Ancelotti jetzt tut. Die Formation ist ein klares 4-3-3, in dem Alonso den tiefen Spielmacher gibt. Weil Vidal nach den Länderspielen noch nicht wieder bei Kräften war, spielte Renato Sanches. Dieser sorgte für viel Betrieb, bewegte sich viel. Vorne arbeitete Lewandowski auf ganzer Linie und suchte Lücken im Defensivverbund. Müller nadelstichelte und Ribery stürmte Flügel.

Wie toll die Bayern sind, damit füllen andere Bücher. Darauf würde ich auch hier gern verweisen und den Fokus wie immer auf Schalke legen. Letztlich hatten die Gäste mit dem Gegendruck von Schalke (dazu später mehr) so ihre Probleme. Immer wieder blieben sie im Pressing hängen. Die Bayern änderten dabei immer wieder das Tempo, wechselten vom Flügel ins Zentrum und zurück. Doch eine gute Stunde lang, brachte das nur spärlichen Ertrag.

Der geilste Club der Welt

Weinzierl setzte zum ersten Mal auf die Doppel-6 aus Bentaleb und Stambouli. Ersterer war dabei der tiefsitzende, nicht so richtig abkippend, aber mit ständiger direkter Verbindung zu den Innenverteidigern. Letzterer ein bisschen weiter davor, gab den Ausputzer auf ganzer Breite. Gemeinsam hielten die beiden das Zentrum dicht. Die Außenverteidiger rückten nicht zu sehr auf und blieben meist hinter deren Vordermänner. So blieb die defensive Deckung stabil, und gleichzeitig erleichterte das die Staffelung, wenn jemand aus dem Mittelfeld auf den Flügel kam um Überzahl zu schaffen. Huntelaar blieb vorn und versuchte sich als Zielspieler erreichbar zu geben. Der rechte Außenverteidiger war übrigens Kapitän Höwedes, der sich darum kümmern durfte Ribéry in Schach zu halten und seine Aufgabe mit Bravour löste.

Die Außenstürmer hatten dabei besondere Freiräume. Die Hauptaufgabe war es in der Defensive den Münchener Außenverteidigern das Leben schwer zu machen. Im Ballbesitz konnten sie sich dann relativ frei bewegen. Besonders Konoplyanka nutzte diese Freiheiten und bewegte sich in der gesamten gegnerischen Hälfte, Vogelfrei. Oft genug zog es ihn sogar auf den gegenüberliegenden Flügel. Gleichzeitig ging ihm aber auch die Abstimmung mit dem Rest der Mannschaft ab. Besonders das Zusammenspiel mit Höwedes wirkte meist frei Improvisiert. Oft genug sah es sogar so aus, als bewege er sich über das gesamte Feld um den Gegner zu verwirren, schaffte das gleiche aber auch mit den eigenen Mannschaftskollegen. Der Grund dafür liegt natürlich daran, dass er lediglich eine Trainingseinheit vor dem Spiel mit der Mannschaft machen konnte. Hoffentlich fokussiert sich die Verwirrung dann bald auf den Gegner…

Schalker Pressing

Defensiv stand Schalke wie immer im 4-4-2. Forechecking und Druck aufbauen auf die Aufbauspieler durch die ersten beiden in Blau. Dahinter gab es zwei 4er-Ketten, insgesamt standen die Linien sehr Kompakt und vertikal wie horizontal sehr eng beieinander. Das war noch beim Spiel davor völlig in die Hose gegangen. Das Aufrückverhalten war wie ausgewechselt. Bei Ballverlusten schon Schalke die Gäste förmlich vom Tor weg. So schafften sie es immer wieder, dass Bayern neu aufbauen musste, obwohl sie den Ball sehr hoch gewonnen hatten.

Außerdem presse Schalke sehr hoch. Die Höhe wechselte regelmäßig, aber über weite Teile der ersten Halbzeit stand Schalke nach hohem Ballgewinn im Gegenpressing und baute direkt ein eigenes Offensivpressing auf, so dass Schalke ohne Ballbesitz mit nur einem Verteidiger (und Fährmann natürlich) in der eigenen Hälfte stand. Das ist neu und hat die Arena begeistert.

Darüber hinaus gab es noch eine kleine Pressingfalle. Renato Sanches wurde als Schwachstelle ausgemacht. Immer wieder lenkte das Schalker Pressing den Ball zu ihm, nur um ihm dann direkt alle Passwege zuzustellen. So kam es, dass er relativ häufig mit den Ball am Fuß im Mittelfeld umher irrte, ohne recht zu wissen was tun. Nicht selten wurde er so zu waghalsigen Manövern gezwungen oder spielte Fehlpässe.

Alonso in Goretzkas Deckungsschatten

Alonso im Deckungsschatten GoretzkasDas Pressing war sehr beeindruckend und durch seine hohe Intensität effektiv. Außerdem wirkte der Überraschungsmoment, sowohl bei den Gegnern auf dem Feld als auch beim Publikum drumrum, zu Schalkes Gunsten. Das Schlüsselelement des Spiels war aber Leon Goretzka, der Xabi Alonso quasi die komplette erste Halbzeit nicht aus seinem Deckungsschatten raus lies.

Vor dem Spiel wurde viel diskutiert, wie die Rolle von Goretzka im Zusammenspiel mit der Doppel-6 Bentaleb-Stambouli aussehen könnte. Die Frage wurde hier fast nicht beantwortet, weil Goretzkas Bewegungen mit der Formation gar nichts zu tun hatten. Stattdessen hat er sich eklusiv um den Mittelfeldmotor der Bayern gekümmert. Das klappte sehr gut, Alonso fand faktisch nicht statt. So wurde das Aufbauspiel entsprechend erschwert.

Viele, viele Umstellungen

Die Spieler investierten viel auf dem Feld, aber auch Weinzierl war fleißig und stellte mehrfach um. Besonders in der zweiten Halbzeit, hier änderten die Einwechslungen das Spiel Schalkes jeweils deutlich. Zunächst fingen die Knappen an, wie in der ersten Halbzeit. Nach kurzer Zeit kam dann Embolo für Konoplyanka. Ab jetzt spielte Schalke auch offensiv im 4-4-2, mit einer Doppelspitze. Der Schweizer bewegte sich dabei viel und war als hängende Spitze ins komplette Offensivspiel involviert. Goretzka wich auf den Flügel. Damit wurden Alonso jetzt zwar etwas mehr Freiheiten gegeben, Embolo und Huntelaar kümmerten sich noch verstärkt um ihn, doch der Spanier schien sich nur noch auf Ausweichbewegungen zu begrenzen und wurde selbst bald ausgewechselt.

Dann musste der Hunter runter und mit Meyer kam ein echter 10er auf’s Feld. Jetzt also wieder im 4-2-3-1, mit Embolo vorne und Meyer versuchte die Angriffe zu Verwalten. In dieser Phase sanken die Kräfte der Königsblauen aber schon merklich, und die Bayern wurden immer Gefährlicher. Bentaleb wurde immer mehr zum Teil der 4er Kette und doch war letztlich das 0:1 nicht mehr zu vermeiden.

Kurz danach kam noch Kolasinac für Stambouli. Weinzierl machte auf und versuchte sich wenigstens noch ans Unentschieden zu pirschen. Jetzt spielte Schalke oft mit Raute im Mittelfeld und Doppelspitze: Kola – Baba, Goretzka- Meyer hinter Bentaleb & Choupo-Moting. Genutzt hat’s nix und letztlich hat der offensivdrang auch noch ein weiteres Tor ermöglicht, so konnte sich Schalke trotz starker Leistung nicht belohnen. Wenige Mannschaften haben Bayern derartige Probleme bereitet wie Schalke an diesem Abend.

Fazit

Goretzka machte einmal mehr ein unglaubliches Spiel. Aber einen einzelnen herauszuheben wirkt zynisch, denn die Mannschaftsleistung insgesamt war der Hammer. So viel Bewegungsfreude, so ein effektives, mutiges Pressing, so ein stabiler Defensivverbund, so mitreißend für die Anhänger, so geil, so lange vermisst, auf Schalke selten oder vielleicht noch nie gesehen. Natürlich hat sich Bayern München den Sieg ehrlich erspielt und völlig verdient. Die letzte halbe Stunde waren sie einfach zu stark.

Wir haben gesehen, dass es viel Variabilität gibt und vermutlich noch geben wird. Wenn Weinzierl es schafft eine Spielweise wie dieses zu etablieren und weiter verbessern, die Mannschaftsteile noch besser aufeinander abzustimmen und, gegen andere Mannschaften sicher/hoffentlich einfacher, vielleicht auch ein paar Ligatore folgen zu lassen, sehe ich eine sehr unterhaltsame Saison auf uns zu kommen.

11 Replies to “Neue Spieler, neues Spiel.
FC Schalke 04 – Bayern München, 0:2

  1. Bitte, bitte, bitte haltet das durch. Es wird belohnt. Auch wenn wir gegen Nizza und/oder Hertha auf die Mütze bekommen (was passieren kann). Das war das aufregendste, tollste und authentischste Schalke-(Liga-)Spiel, dass ich seit Jahren gesehen habe. Was in Deiner tollen Zusammenfassung schon anklang, aber etwas zu kurz gekommen ist, ist die Mischung aus Aggresivität und Kreativität, v.a. in der Offensive: Der lauffreudige und mutige Hunter oder der rotzfreche Choupo der ersten Halbzeit seien hier genannt. Weiter so, Weinzierl!

  2. Danke für die Analyse. Mir scheint, dass Schalke langsam dahin fährt (von ankommen ist noch zu früh gesprochen), wo die guten mittelklassigen Teams (Mainz, Köln) schon sind: Sauberes, koordiniertes und intensives Pressing mit den richtigen Abständen,, vernünftiges Gegenpressing, direktes Spiel und Schnelligkeit in den Umschaltmomemten.

    Da wird Berlin ein echter (doppelter) Prüfstein. Die können sich nämlich wie kaum eine zweite Mannschaft (außer den Guardiola-Bayern) dem Pressing des Gegners entziehen mit sehr sauberen Passspiel und viel Laufarbeit. Wenn Schalke selbst da griffig wird, hat Weinzierl schon viel erreicht. Der zweite Prüfstein wird darin bestehen, dass Hertha im Gegensatz zu vielen Mannschaften (und im Gegensatz zu den Bayern) ihrerseits auf ein hohes Pressing verzichtet, und sich eher in eine tiefe Staffelung fallen und den Gegner machen lässt. Da wird die Frage sein, ob Schalke schon was drauf hat in Sachen Ballbesitzphasen.

    1. Dein zweiter Satz ist ein schönes Beispiel für eine Herabsetzung im Gewande eines Lobes. Stimmt aber unglücklicherweise.
      Auf das Berlin Spiel bin ich ebenfalls gespannt und auch morgen wird man sehen, ob es zumindest eine gewisse Systemstabilität gibt und das Ganze keine Eintagsfliege war.

      1. Da hast Du recht. Gerade hinsichtlich des Pressings war die Breitenreiter-Saison eine große Enttäuschung, wenn ich sie auch insgesamt als einen gewaltigen Fortschritt gegenüber den beiden Keller/RDM-Jahren betrachte. Wir sehen hier bei Weinzierl schon eine ganz andere Qualität.

  3. Sehr lesenswerte Analyse, gerade weil ich das Spiel leider nicht mal im TV gucken konnte. Ich hoffe bis zum übernächsten Heimspiel, wenn ich endlich wieder in der Arena dabei bin, ist von dieser Spielweise weiterhin noch was zu sehen. Es scheint endlich eine Entwicklung stattzufinden. Hoffentlich bekommt, hoffentlich geben wir Fans, MW die Zeit, die er einfach brauchen wird.

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