Wolfsburg gewann 55,6% der Zweikämpfe, hatte 50% mehr Torschüsse als Schalke (12:18) und spielte deutlich mehr Flanken (10:16), verlor aber mit 3 Toren unterschied. Nein, es lag nicht nur an der Chancen-Verwertung. 

Die Grundformationen zu Spielbeginn.

Verbrennungsmotor

Markus Weinzierl möchte aggressiv ins Pressing gehen. In diesem Spiel waren es aber nicht die Knappen, sondern die Wölfe, die aggressiv pressten. Und das taten sie schon besonders hoch. Der Schalker Spielaufbau wurde in einem frühen Angriffspressing direkt unterbunden. Wurde die erste Linie überspielt und dabei tat sich Schalke über die gesamte Partie nicht leicht, dann zogen sich die Gäste zurück und agierten im tieferen Mittelfeldpressing. Hier fehlte es aber deutlich an vielem. Mit Abstimmungsproblemen und ziemlich unkompakt liefen sie den Hausherren viel hinterher. Über zwei Spielfelddrittel gab es eine aggressive Zweikampfführung nur in der Defensive irgendwie nicht. Hier wurde viel passiv gearbeitet.

Insgesamt gab es eine Mannorientierung, meist lose. Die zentralen Kreativkräfte jedoch wurden enger unter Aufsicht gestellt. Besonders Bentaleb, hatte eigentlich immer einen Spieler direkt auf den Schuhen stehen. Das ist auch einer der Gründe, warum Bazoer jetzt so hoch spielt. Er kümmerte sich viel um Bentaleb und Goretzka.

Offensiv gab sich die Mannschaft stets bemüht. Nur eben nicht sonderlich effektiv. Über die Flügel wurde der Ball schnell nach vorne gebracht. Gern aber auch mit weiten Diagonalbällen. Es gab viele hereingaben, die aber letztlich fast alle in der starken Schalker Endverteidigung hängen blieben oder nicht gut genug abgeschlossen wurden.

Das Aufbauspiel lief fast komplett durch Louiz Gustavo eingeleitet, hier als Innenverteidiger. Er rückte viel auf und verschob in Räume und spielte den Ball in Lücken. Besonders auffällig war Daniel Didavi, der sehr beweglich agierte und in faktisch jedem Angriff eine tragende Rolle spielte. Allerdings nur in der ersten Halbzeit. In der zweiten wurde leicht umgestellt, Kuba kam für Jung, also direkt hinter Didavi und alles wurde etwas Positionsgetreuer. Ziel war vermutlich die Defensive zu festigen und Schalke das Kontern zu erschweren, eigentlich wurde dem Wolf mit dieser Umstellung jedoch einer der wenigen Zähne gezogen.

Andries Jonker gab nach dem Spiel zu Protokoll, dass seine Mannschaft die ersten 20 Minuten der ersten Halbzeit und die ersten 3 Minuten der zweiten Halbzeit grottenschlecht war. Andersrum könnte man auch sagen, dass Schalke jeweils nach dem 2. und nach dem 3. Tor einen Gang zurück schaltete. Wiedemauchsei, die Wölfe kamen ins Spiel, die Qualität der Torchancen stieg. Genutzt hat’s nix.

Kohlekraftwerk

Schalke spielte wieder dieses asymmetrische 4-2-3-1, in dem es eigentlich eine 3er Kette gibt, weil Kolasinac so hoch aufrückt, Kehrer erst sehr spät und sich alle entsprechen verschieben. Bentaleb suchte als defensiver 6er immer die direkte Verbindung zu den dreien (also Höwedes, Nastasic und Kehrer), kippte irgendwo dazwischen oder daneben, schwebte vor dieser 3er Kette oder rochierte mit einem der dreien.

Ansonsten alles so wie zuletzt, Caligiuri zog gern in den Halbraum, Choupo Moting blieb lieber länger am Flügel und harmoniert inzwischen richtig gut mit Kolasinac. Goretzka und Meyer waren im Mittelfeld, ließen sich bei Aufbauproblemen aber gern fallen.

Aber da war ja noch das mit den Zweikämpfen, in die Schalke sollte, die aber großteilig an die Gäste gingen. Hier muss etwas differenziert werden, denn in der Defensive, kam Schalke durchaus in Zweikämpfe und entschied diese auch gern mal für sich. Mit Ball am Fuß sah das ganze naturgemäß nur eben anders aus. Wolfsburg machte aus der Defensive viel Druck und versuchte Schalke in Zweikämpfe zu verwickeln um den Ball abzuluchsen. Dem versuchte Schalke ein Kombinationsspiel entgegenzusetzen, bzw. sich durch Ballstafetten des Drucks zu entledigen. Und besonders in den besagten 20+3 Minuten, in denen Schalke Gas gegeben hat, klappte das erstaunlich gut. Jedem der 04 Treffer gingen sehenswerte Kombinationen und sauberes gruppentaktisches Verhalten voran. Und auch wenn insgesamt viel über die Flügel ging, so war hier die Schaltzentrale im Zentrum ganz entscheidend.

Das Über Mittelfeld

Das Mittelfeld war mit Goretzka und Meyer vor Bentaleb in drei Linien gestaffelte Kreativität. Bentaleb steuerte das Geschehen von ganz hinten. Goretzka war das gewohnte 1-Mann-Mittelfeld, fing Bälle ab, trug den Ball nach vorne, verlagerte und verlängerte in die gefährlichen Zonen und rückte auf um vorne zu unterstützen. Meyer ganz vorne zog die Strippen im Angriff und zeigte einmal mehr, dass er es versteht wie kaum ein zweiter, Bälle in freie Räume zu legen, und so Mitspieler einzusetzen und zu Glanz zu verhelfen.

Dabei lieferten alle drei keine perfekten Partien ab. Leon Goretzka und Max Meyer, gewissermaßen die Halbfeldflankelieblingsspieler, fielen diesmal durch schlechte Passerfolgsquoten auf. Goretzka brachte nur 79,2% und Meyer nur 83,3% der Zuspiele an die Mitspieler. Beide sind eigentlich 90% Kandidaten. Das zeigt wie hoch der Offensivdruck war, denn beide gingen viel Risiko. Und das war der Plan.

Weinzierl gab mehrfach zu Protokoll, dass offensiv gespielt werden solle. Dazu gehört Risiko und Risikopässe im Angriff. Und Risiko heißt nunmal so, weil die Gefahr besteht, dass es in die Hose geht. So wird Risiko immer dann eingegangen, wenn das Verhältnis aus möglichem Ertrag bei Erfolg und möglichen Problemen bei Miserfolg in einem Verhältnis steht, dass als annehmbar erachtet wird. Prinzipiell sind beide sehr Passsicher und gehen nur überschaubares Risiko ein. Hier haben sie aufgedreht. Das Ergebnis sind so positiv ausgefallen, weil Wolfsburg auch nicht gut darin war die eigenen Konter gut auszuspielen.

Insgesamt bleibt Festzuhalten, dass Bentaleb, Goretzka und Meyer als Einheit unfassbar stark sind. Und zwar nicht nur für Schalke, sondern auch im Europäischen Vergleich. Schon lange traut sich kaum ein Gegner ins Schalker Zentrum. Wenn die Kreativ-Power konsequent so gebündelt werden kann wie in dieser Partie gibt es da noch einiges zu erwarten. Denn wenn Schalke dem Wolfsburger Zweikämpfen etwas entgegen zu setzen hatte, waren es Ballstafetten, angetrieben durch den gut geölten Mittelfeldmotor.

Allet in allem

Der große Unterschied im Ballbesitz lag interessanterweise im jeweils ersten Spielfelddrittel. Hier brachte Schalke ganze 143 Pässe an den Mitspieler, Wolfsburg nur 81. Im mittleren Drittel waren das 197:173 und im Angriffsdrittel 66:60 zu Gunsten Schalkes, aber deutlich enger beieinander. Das hatte sicherlich mit dem hohen Angriffspressing der Gäste zu tun, dem Schalke sich geduldig zu befreien versuchte.

Letztlich spielte Schalke sehr untypisch. Es wurde nicht versucht schnell zu kontern, sondern wurde kreativ kombiniert. Natürlich schnell und natürlich mit starkem Zug zum Tor. Vor allem aber Erfolgreich. Und die Torabschlüsse sowie Chancenverwertung war ja zuletzt gern das Problem von Schalke 04. Selbstverständlich war die Gegenwehr von Wolfsburg zum Teil überschaubar. Das kann aber definitiv einer dieser Quantensprünge gewesen sein, die Entwicklung ja immer mal nimmt. Vielleicht sehen wir bald auf Schalke statt überfallartiger Konter ja überfallartiges Kombinations-Konter. Wir werden sehen.

3 Replies to “Überfallartige Kombinations-Konter. FC Schalke 04 – VfL Wolfsburg, 4:1

  1. Danke Karsten für deine schnelle und verständliche Analyse des Spiels. Nach dem Spiel haben sich zwar alle über den Sieg gefreut, aber auch den Erfolg auf die schwachen Wölfe geschoben. Schön, dass du indirekt Bezug daruf genommen hast. Ich bin so gespannt, ob es der Quantensprung war… Auf den warten wir ja sehnlichst!!!! Jetzt müssen nur noch alle Leistungsträger an Bord bleiben.

  2. Danke Karsten! Mich freuts besonders auch für Max Meyer, diesmal wars für alle sichtbar, was er kann, wenn in seiner Nähe auch noch andere kombinieren. Freue mich auf Donnerstag gegen Ajaks.

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