In dieser Analyse soll es bei halbfeldflanke mal nicht um ein aktuelles Spiel gehen, sondern um eine nette kleine Partie, die etwas länger zurückliegt. Ein sogenanntes historisches Spiel. Am 21. Mai 1997 spielte Schalke im Giuseppe-Meazza-Stadion gegen Inter Mailand. Es war das Rückspiel des UEFA-Pokalfinales 1997 – Schalke verlor zwar in der regulären Spielzeit mit 0:1, doch dank des Hinspielergebnisses, eines 1:0 Sieges von Schalke, stand es 1:1 und es kam zum Elfmeterschießen, in dem sich die Königsblauen durchsetzten. Ein legendärer Erfolg. Und ein hart umkämpfter, denn das Rückspiel musste man auswärts bestreiten und Inter konnte seine Reihen wieder durch seine beiden großen Stars Paul Ince und Youri Djorkaeff verstärken. Am Ende gewann Inter die Partie 1:0, doch im Elfmeterschießen konnte Schalke sich 4:1 durchsetzen. Eine Analyse des Hinspiels konnte ich leider nicht erstellen, da mir dafür das Bildmaterial fehlte.

Es ist für mich immer schwierig Spiele zu bewerten, die so vor den 2005ern stattfanden. Die Logik beim Verteidigen und Angreifen ist einfach häufig eine sehr andere. Man spielte damals eben in vielen Bereichen noch deutlich mannorientier als heute, es war häufig kein Pressing im modernen Sinn zu sehen, auch wenn es das natürlich sehr früh gab, und auch Mannschaften die auf eigentliches Pressing verzichteten, doch immer wieder früh anliefen. Nur eben nicht mit der Kompaktheit im Verschieben. Auch wurde nicht so sehr in Formation verschoben, denn durch die Orientierung am direkten Gegenspieler wird diese im Defensivspiel andauernd aufgelöst. Zumindest war das auf Seiten der Schalker so. Inter spielte allerdings mit Raumdeckung und Viererkette, jedoch vielleicht nicht mit der heutigen Disziplin und den modernen Mechanismen. Beide Mannschaften hatten dadurch immer wieder nicht wirklich Zugriff auf ihre Gegenspieler und liefen dann eben einfach nach hinten, um den Weg zum Tor zu versperren, und dann in tieferen Zonen wieder Zugriff zu erlangen. Dies führte dann zu sehr vielen Läufen mit Ball. Um euch das Spiel näher zu bringen, habe ich mich diesmal dafür entschieden zuerst über die Spielweisen der beiden Mannschaften (Fokus natürlich bei Schalke) und dann über den Spielverlauf, samt Umstellungen zu reden.

Taktik der beiden Teams

Bei Schalker Ballbesitz

Natürlich ging es für Schalke im Auswärtsspiel in erster Linie darum, den Vorsprung aus dem Hinspiel zu verteidigen, doch das hieß nicht, dass nicht auch versuchte durch ein 1:0 den Deckel zuzumachen – in der Situation hätte Inter dann ja auch ganze drei Tore gebraucht, um zurückzukommen. Dabei agierten die Spieler aus einer Art 3-5-2 heraus in dem Büskens und Latal auf den Flügeln standen, Thon sich aus dem Defensivzentrum einschaltete und Nemec, Eigenrauch und Müller das Mittelfeldzentrum bildeten. Wie man offensiv spielt, hängt ja auch viel damit zusammen, wie der Gegner verteidigt. In diesem Spiel versuchte Inter häufig Schalke früh im Spielaufbau zu stören und den langen Ball zu erzwingen. Dabei liefen sie vielleicht nicht perfekt aber doch gut geordnet und ziemlich engagiert an. Immer wieder kamen sie so zu Ballgewinnen in der Schalker Hälfte, doch Schalke überspielte ihr Pressing auch häufig sehr gut und konnte die sich dann bietenden Räume nutzen, denn Inter hatte eben keine so ausgewogene Vorgehensweise, dass sie dann im Mittelfeld sofort wieder Druck ausüben konnten, sondern musste sich weiter nach hinten fallen lassen. Aufgrund des fehlenden klaren Zehners konnte Schalke die nach dem Umspielen der ersten Pressingreihe geöffneten Räume jedoch nicht über gezielte Schnellangriffe bespielen, sondern konnte meist nur aufrücken. Aufgrund dieser Problem präsentierte sich Schalke auch im Konter nicht wirklich gefährlich. Auch lange Bälle aus der Abwehr konnte Inter sehr gut verteidigen und überhaupt machte ihre Viererkette weitestgehend einen guten Job.

Dennoch waren die Königsblauen keineswegs ohne Torchancen. Gefährlich waren sie unter anderem mit Flanken bzw. hohen Hereingaben aus dem Halbfeld, die aber sehr dynamisch gespielt und mit einer guten Aufgabenverteilung im Zentrum ergänzt wurden. Häufig war es Büskens, der die Hereingaben brachte, Max orientierte sich dann zumeist auf die Flügel, Wilmots zentral, dahinter rückte Müller auf, manchmal sogar Eigenrauch. So konnte man meistens den Ball zumindest ans Tor heranbringen und dann den Durchbruch über schnelle Kombinationen suchen. Diese schnellen Kombinationen waren eine andere Stärke von Schalke, besonders Nemec, der auf dem ganzen Platz zu finden war, tat sich hier hervor. Immer wieder löste er schwierige Situationen auf und bat sich als Passoption an. Häufig spielten sich bei Schalke ein paar Spieler horizontal den Ball hin und her, um dann einen von hinten heraneilenden Spieler zu bedienen, der dann mit Ball am Fuß nach vorne preschen konnte. Kein schlechtes Mittel gegen die Mailänder, deren Raumdeckung immer wieder Lücken zeigte, die so sehr gut genutzt werden konnten. Bei diesen Läufen und den anschließenden Pässen tat sich natürlich in erster Linie der Schalker Libero Olaf Thon hervor.

Insgesamt war eine große Stärke der Schalker war wohl ihre Balance zwischen konsequenten Angreifen und guter Besetzung der Bereiche dahinter – so setzten sie immer wieder bedrohliche Nadelstiche und blieben gleichzeitig gut postiert für den gegnerischen Umschaltmoment. Erwähnenswert auch noch wie flexibel Schalke im Angriffsvortrag ist, auch Eigenrauch fand sich manchmal nach sehr aggressiven Sprints nahe des Strafraums wieder. Ob man da die Flexibilität loben oder fehlende Struktur kritisieren soll, finde ich im Kontext eines Spiels von 1997 schwierig zu sagen. Vielleicht beides. Was Schalke abging war der ganz große Stratege. Viele Spieler konnten sich gut in Kombinationen einbringen, Nemec konnte das Spiel auf dem ganzen Platz antreiben und auch seine nächsten Mitspieler immer gut einbinden, aber niemand ordnete das Geschehen so richtig. Dadurch verpasste es Schalke dann auch immer wieder offene Zonen im ballfernen Raum zu nutzen.

Auch Olaf Thon konnte das in diesem Spiel nicht leisten. Ich bewerte ihn jetzt natürlich nur auf Basis eines (wenn auch sehr intensiv studierten) Spieles, und einiger best-of-Videos aber hier glänzte er gar nicht so sehr durch eine großartige Übersicht. Oder sagen wir es so: Thon wusste nicht zu jedem Zeitpunkt wo sich alle 20 Feldspieler befanden und wo gerade Räume frei wurden, die man dann bespielen kann, wenn er jetzt nach links passt. Damit will ich ihn gar nicht kritisieren – er hat mich tatsächlich ziemlich beeindruckt. Er agierte aber nicht so, dass er das Spiel ordnete und das ganze Feld betrachtete, sondern er war einfach sehr gut darin in extrem vielen Situationen sehr sichere und offensive Lösungen zu finden. Mit geschickten Läufen und intelligenten Pässen trieb er das Schalker Spiel immer wieder nach vorne. So präsentierte sich Schalke offensiv auch insgesamt: als eine Mannschaft die sehr gut darin war, immer wieder einzelne Situationen aufzulösen, bei der das aber nicht zur wirklichen Offensivdominanz zusammenkam. Was aber aufgrund der Ausgangslage auch gar nicht das Ziel sein musste.

Bei Mailänder Ballbesitz

Entscheidender war, dass man mit der Mailänder Offensive klar kam und nicht überrollt wurde. Eine 1:0-Führung aus dem Heimspiel hat große Vorteile, der Gegner braucht aber eben auch nicht so viele Tore um aufzuholen. Prägend bei Inter waren die vielen Bewegungen im Mittelfeld. Die Spieler der Mailänder Raute bewegten sich sehr viel aus ihren Positionen heraus, zumindest der Sechser Ince (der wohl häufig auch Achter spielte), der Zehner Djorkaeff (der französische Spielmacher der Mailänder) und der rechte Achter Zanetti, Sforza war wiederum auf links so eine Art Fixpunkt und Stabilisator, der sich nur wenig aktiv aus seiner Position herausbewegte, sondern eher noch den Sechserraum nachbesetzte, wenn Ince sich vorne einschaltete. Und das passierte recht häufig, denn Ince rückte gerne ins Zentrum auf, um dort mit dem sich zurückziehenden Djorkaeff kombinieren zu können. Zanetti wiederum bewegte sich sehr viel, um so Lücken bei den Schalkern zu öffnen. Die Stürmer dahinter bewegten sich wiederum meist nur kleinräumig, um sich kurz von ihren Gegenspielern lösen zu können. Auf Außen rückten dann die Verteidiger Bergomi und Pistone auf. Insgesamt war der Sinn dieser Vorgehensweise wohl den Kreativspielern durch die hohen Außenverteidiger Raum zu öffnen, der dann über den herumdriftenden Zanetti und die Stürmer bespielt werden konnte.

Wie ging Schalke damit um? Die drei Mittelfeldspieler verfolgten ihre direkten Gegenspieler in Manndeckung, dahinter wurden dann natürlich Räume offen, besonders da Djorkaeff sich gerne tief fallen ließ – durch diese Bewegungen die Schalker auseinanderzureißen war natürlich ein wesentliches Ziel von Inter. Ging also der Plan der Italiener auf und Schalke kam nur dank einem guten Lehmann weiter? Das würde ich nicht sagen. Schalke ignorierte defensiv sehr häufig Bergomi, der eher ein staksiger ungelenker Typ ist, was Büskens ermöglichte, sich ebenfalls ins Zentrum einzuschalten. Auch Sforza konnte man ein bisschen vernachlässigen. Linke und de Kock wiederum positionierten sich sehr gut und schafften es, die beiden Stürmer der Mailänder gut zu bearbeiten, Thon sicher hinter ihnen gut ab. Die Stürmer waren defensiv ebenfalls nicht untätig, sondern unterstützen gerne Mal im Zentrum. Zwar öffneten sich auf der Schalker linken Defensivseite immer wieder Räume, aber Bergomi war nicht wirklich geeignet, die zu bespielen.

Wenn Inter dann aber doch mal gefährlich durchbrach, zogen sich die Schalker immer sehr schnell an den Strafraum zurück. Man gab dann einfach die Verteidigung des Mittelfeldes auf positionierte sich in der Tiefe neu. Gar nicht so wenig kraftraubend diese Spielweise, besonders da die vorderen Schalker Akteure dann in diesen tiefen Verteidigungssituationen häufig als eine Art wilder Haufen die Mailänder beim Angriff auf den Schalker Strafraum störten. Sowohl das Zurückfallen als auch dieses „drauflaufen“ ist zwar eher plump, aber strategisch ziemlich sinnvoll und war auch ziemlich effektiv, vor allem da man auch immer Spiel hatte, die sich darauf fokussierten, den Bereich hinter den attackierenden vorderen Leuten abzudecken. Auch in die tiefe Verteidigung schalteten sich übrigens die Schalker Stürmer ein. Das kam dann natürlich noch zu den oben beschriebenen Problemen im Konterspiel dazu. Ich möchte an dieser Stelle aber nochmal betonen, dass Schalke sich nach dem sie einmal überspielt wurden nur noch hinten rum stand. Das Attackieren der vorderen Spieler war durchaus sehr aggressiv und eindeutig betrieben, weil man sich gerade nicht festnageln lassen wollte und war dabei auch durchaus riskant – Stevens ließ nicht risikolos spielen, sondern er kalkulierte vielleicht eher sehr klar, wann genau er auf Risiko spielen ließ. In dem Moment in dem die Schalker Zuordnungen einmal aufgebrochen wurden und Inter Raum fand, ließ man sich schlagartig fallen, sobald die Zuordnungen wieder hergestellt waren, agierte man dann aber mutig, damit Inter nicht zu lange die Möglichkeit bekam, am Schalker Strafraum Angriffe zu starten.

Was ich sehr an der Schalker Spielweise in diesem Rückspiel schätze, ist der strategische Fokus aufs Zentrum. Sowohl offensiv als auch defensiv. Auch nach eigenem Ballverlust zeigte sich das, sowohl durch die bereits oben beschriebene gute Positionierung der Spieler hinter den Offensivakteuren, als auch dadurch, dass man zwar immer mal wieder kurz versuchte den Ball vorne zurückzuerobern, aber nie auf Kosten der Zentrumsüberzahl. Zwar hatte Inter letztendlich viel Ballbesitz in der zentralen Zone – aber eigentlich immer außerhalb der Schalker Reihen – für mich persönlich das wichtigste Merkmal eines guten Defensivspiels. Neben diesem Fokus aufs Zentrum gab es auch einen Fokus auf Stabilität und auf die Defensive. Ich hatte schon gesagt, dass Schalke ein kreativer Spieler im Zehnerraum fehlte, aber dafür hatte man kreative Leute (Nemec, Thon) im Sechser- und Achterraum und dadurch viele Ballbesitzphasen  in Nähe des Mailänder Tores und auch die ein oder andere Chance. Vor allem hatte man über diese Stärken im Ballbesitz eben auch Entlastung und ließ sich keineswegs einfach hinten reindrängen. Man war defensiv, aber nicht passiv, man spielte kontrolliert, aber nicht harmlos. Sicher keine taktische Super-Meisterleistung aber doch genug für eine virtuelle Verbeugung vor Huub Stevens. So verwundert wie das jetzt klingt war ich über diese Erkenntnis jetzt nicht – die taktisch beste Phase von Schalke in den letzten Jahren war meiner Einschätzung nach ja auch der Anfang der Hinrunde 2013/14.

Spielverlauf

Hier soll es jetzt ein bisschen darum gehen noch mehr darüber zu sprechen, was für Veränderungen über den gesamten Verlauf des Spiels hinweg zu sehen waren. In der ersten Halbzeit war die Konstellation zu sehen, die ich bis jetzt hauptsächlich dargestellt habe. Gerade am Anfang war Schalke dominanter, umspielte Inters Angriffspressing mehrmals gut und kam zu ganz ordentlichen Torchancen, von denen es über den gesamten Verlauf des Spiels hinweg eher weniger gab. Mit etwas mehr Konsequenz im Ausspielen oder Glück im Abschluss hätte hier auch das 1:0 fallen können. Mit der Zeit gewann dann Inter jedoch etwas mehr an Dominanz und das Spiel gestaltete sich relativ ausgeglichen. In der Halbzeit gab es keine wirklich größeren Umstellungen, wobei mit fortlaufender Spieldauer Schalke etwas mehr zu frühen langen Bällen gebracht wurde. Gleichzeitig stoß jetzt Olaf Thon, der sich in der ersten Halbzeit noch deutlich mehr zurückgehalten hatte, immer aggressiver in die höheren Zonen vor, und leitete dort die Angriffe ein. Teilweise agierte er fast schon als Zehner. In diesen Situationen wirkte dann Schalke auch wieder gefährlicher. Insgesamt war das Spiel in dieser Phase aber extrem Chancenarm.

Irgendwann nach der 60. Minute gab dann Inter ihren Versuch auf, über das Zentrum gefährlich zu werden: vor allem Djorkaeff ließ sich nun von der Zehn viel auf die Flügel fallen und versuchte von dort das Spiel anzutreiben. Gerade auf Rechts klappte das mit Zanetti recht gut, Bergomi konnte jedoch die sich besonders für ihn bietenden Räume nicht wirklich ausnutzen, da ihm dafür einfach die Offensivfähigkeiten im letzten Drittel abgingen. Hodgson reagierte darauf sehr intelligent mit der Einwechslung von Angloma für Bergomi. Dieser deutlich wendigere Außenspieler verlieh den Flügelangriffen von Inter nun deutlich mehr Gefährlichkeit. Schalke konnte sich nun nicht mehr so auf das Zentrum konzentrieren und wurde immer mehr nach hinten gedrängt – man merkte auch, dass ihre sehr schnelles Zurückziehen, wenn Inter zwischen die Reihen spielte, sie durchaus auch Kräfte gekostet hatte. Ein weiterer Wechsel folgte und für den eher blass geblieben Sforza kam Aron Winter ins Spiel, der sich als ordentlicher Aktivposten erwies und im Zentrum einige gute Pässe spielte. Inter zeigte nun ein deutlich kompletteres und balancierteres Offensivspiel, dessen Schwächen Stevens wohl nicht so leicht ausmachen und nutzen konnte wie zuvor.

Damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Schalke brach in dieser Phase keineswegs auseinander, die Mailänder hatten weiterhin nur wenig Torchancen und die Schalker bolzten auch nicht einfach nur die Bälle nach vorne, sondern versuchten weiterhin auch am eigenen Strafraum spielerische Lösungen zu finden. Es war auch nicht so, dass Inter jetzt andauernd den Ball kurzpassmäßig hin- und herpasste, vielmehr waren auch lange Bälle ein Mittel ihrer Schlussoffensive. Was sie aber immerhin erreichen konnten, war das Spiel konstant in Schalker Strafraumnähe zu halten, wobei sie gegen Konter und Ballverluste gleichzeitig sehr gut abgesichert standen, wodurch Schalke langsam die Entlastung fehlte. So eine Überlegenheit ist dann nicht zwingend, aber kann eben mit ein bisschen Glück und der richtigen Aktion im entscheidenden Moment zum Tor führen. Das 1:0 von Inter in der 85. fiel dann auch keineswegs nach einem Spielzug, der die mannschaftliche Überlegenheit der Italiener demonstrierte. Im Zentrum konnte Schalke eine Halbfeldflanke abfangen, aber den Ball nicht unter Kontrolle bringen, darauf musste dann zum Einwurf geklärt werden, den Außenverteidiger Pistone dann auf Ince brachte. Der verlängerte auf Zamarona und dessen schöner Schuss veredelte den Angriff. Danach war dann bei Inter aber erstmal auch so ein bisschen die Luft raus.

Schalke suchte nun wieder aktiver den Weg nach vorne und hoffte nicht mehr auf den entscheidenden Konter. Wirklich torgefährlich wurde man nicht, aber es reichte um einen Mailänder dazu zu bringen in einer Szene das Foul zu ziehen, um zu verhindern, dass Max sich in den freien Raum drehte. Da er schon Gelb hatte, folgte für Fresi das verdiente Gelb-Rot in der 90. Minute. Da in der Nachspielzeit kein Tor mehr fiel, folgte die Verlängerung. Mit ihren vielen technisch starken Spielern suchte Inter weiter den Weg nach vorne und war durch den Mann weniger sogar noch ein bisschen mehr zum Fußballspielen gezwungen. Gegen ermüdete Schalker reichte es noch zu ganz netten Torchancen, aber eben nicht zum 2:0. Im Elfmeterschießen verwandelte Schalke dann enorm souverän, den Schlusspunkt zum 1:4 setzte Wilmots:

Der Europapokal war gewonnen und damit wurde der wohl größte Schalker Erfolg seit Einführung der Bundesliga erreicht. Auf den Schalker Kreisel folgten die Eurofighter.

Fazit – Alt gegen Neu?

Inter Mailand mit nicht ausreichend konsequentem Pressing und immer wieder Problemen in der Manndeckung und gerade am Anfang nicht wirklich ausgewogener Offensivausrichtung, deren Schwächen Schalke aber auch gut nutzte. Die Schalker selbst hatten mit den typischen Problemen der Manndeckung zu kämpfen, die sie eben häufig zur Flucht nach hinten zwangen, aber agierte dafür mit gut durchdachter Gesamtausrichtung und ganz gut auf die Mailänder Schwächen eingestimmt. Dass Stevens sich insgesamt unzufrieden mit der Ballbesitzüberlegenheit der Mailänder zeigte, lässt erkennen, dass er keineswegs jemand war, der sein Heil nur in der Defensive suchte. Vielmehr agierte Schalke in keiner Spielphase kopflos.

Man kann dieses Duell vielleicht ein bisschen runterbrechen auf einen Kampf zwischen einer eher älteren Spielweise und einer modernen. Auch wenn die Raumdeckung sich letztlich als überlegen erwies, kann man an diesem Spiel auch sehen, dass man mit guter Umsetzung auch gegen ein vielleicht individuell stärkeres Team auf Augenhöhe agieren kann, wenn die eben auch die Raumdeckung noch nicht perfekt nutzen. Somit kann man dieses Spiel auch als ein Duell verstehen, das nur im Kontext dieser Sattelzeit möglich war, in der der Wandel von der Mann- zur Raumdeckung noch nicht völlig vollzogen war. Für die Schalke war die Bedeutung aber nicht die eines taktisch interessanten Spiels mitten in einer Periode der Transformation des Fußballs, sondern ein historischer Sieg und der erste europäische Erfolg. Sich auf solche Triumph zu fokussieren sollte nicht zur Flucht vor einer weniger zufriedenstellenden Gegenwart werden, aber es wäre sehr schade, wenn wir uns an diesem Erfolg der damaligen Spielergeneration nicht erfreuen würden, weil wir zu sehr damit beschäftigt sind, uns über die momentanen Probleme zu ärgern.

5 Replies to “Das Wunder von Mailand. Inter Mailand – FC Schalke 04, 1:0, 1:4 i.E.

  1. Hi Elias, danke für diesen Bericht! 🙂

    Hat mit Taktik nichts zu tun, aber ich möchte noch erwähnen, dass ebenso bemerkenswert wie das Spiel Werner Hansch als Kommentator war.

    Ich habe letztens nochmal die ersten paar Minuten des Spiels auf Youtube gesehen und ist einfach schön. Noch schöner ist der Schluss nach dem Elfmeterschießen, wo er weiter kommentiert, man aber merkt wie nah ihm dieses Erlebnis geht und wie er mit den Tränen ringt.

    Hach, ich glaube ich fahr mir das demnächst auch nochmal komplett rein :).

      1. Noch eine Sache: das Stadion. Ich war zwar noch nicht im Giuseppe Meazza (mein Papa war damals dabei :)), aber von den Bildern her einfach unglaublich beeindruckend.

      2. das Grausame ist: Als nächstes Video kommt dann eine Doku über die 4-Minuten-Meisterschaft in der YT-Playlist..

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