Im letzten Teil dieser kleinen Serie zur Analyse der Hinrunde wird der Blick auf den Kader gerichtet. Viele waren mit den Leistungen der Mannschaft generell nicht einverstanden und nennen Keller einen under-performer. In Zusammenarbeit mit GoalImpact gucken wir was mit dem Kader möglich gewesen wäre.

Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit zwischen GoalImpact und Halbfeldflanke entstanden.

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Der eingesetzte Kader in der Hinrunde 2013/2014.

In der Hinrunde der Bundesliga setzte Keller insgesamt 24 Spieler ein. Uchida kam dabei auf die meisten Startelf Einsätze (15) und Szalai auf die meisten Einsätze insgesamt (17). Farfán schoss dabei die meisten Tore (6), Aogo und Draxler gaben die meisten Vorlagen (4).

Die Bewertungen der Spieler fallen standesgemäß sehr unterschiedlich aus. Der Kicker sieht Huntelaar und Meyer als beste Feldspieler (Note 3,0), WhoScored.com bewertet Draxler (7,76) und Farfán (7,54) als beste Schalker und den höchsten GoalImpact haben Huntelaar (138) und Neustädter (130).

GoalImpact

Der Goalimpact eines Spielers gibt an, wie stark die Tordifferenz einer Mannschaft von dem einzelnen Spieler im Durchschnitt abhängt. Hat ein Spieler einen sehr hohen Wert, so hatte seine Mannschaft in der Vergangenheit mit ihm eine sehr gute Tordifferenz im Vergleich zu Spielen ohne ihn. Der Durchschnitt über alle Spieler liegt bei 100. Die besten Spieler der Welt haben einen Goalimpact von etwa 190.

Der Goalimpact mittelt die Tordifferenz aller Spiele eines Spielers über alle Vereine, Saisonen und Ligen. Nun hängt die Tordifferenz in einem Spiel nicht nur vom Goalimpact des Spielers selbst ab, sondern auch von denen der Mitspieler und der Gegner. Und auch von vielen anderen Faktoren wie Anzahl der Einsatzminuten, Heimvorteil und Erschöpfungsgrad (bei Einwechselspielern). Daher wird der Wert um diese Faktoren mit aufwendigen mathematischen Verfahren angepasst, so dass eine möglichst reine Spielstärke übrig bleibt.

Am einfachsten lässt sich der Wert interpretieren, wenn man das Beispiel mit der historischen Durchschnittsgeschwindigkeit im Kopf behält. Es ist nicht die Höchstgeschwindigkeit („Talent“), sondern nur die tatsächlich gefahrene Durchschnittsgeschwindigkeit. Wenn ein Spieler einen schlechten Goalimpact hat, so heißt das nicht zwangsläufig, dass er talentfrei ist. Es heißt nur, dass er dieses Talent im Durchschnitt nicht zeigen konnte. Dies kann an vielen Dingen liegen, insbesondere auch an Dingen, die der Spieler nicht selber beeinflussen kann. Vielleicht hat der Trainer ihn um Beispiel nicht auf seiner besten Position eingesetzt und die Leistung war deswegen nicht so gut wie sie sein könnte. Oder er hatte einfach viel Pech. Oder er war nicht 100% fit.

Anders herum, wenn ein Spieler einen sehr hohen Goalimpact hat, dann hat er bewiesen wie viel Leistung er bringen kann. Es ist zu erwarten, dass er unter ähnlichen Bedingungen wie in der Vergangenheit ähnlich hohe Leistungen erbringen wird. Daher ist der Schluss „hoher Goalimpact = guter Spieler“ einfacher zu ziehen als die Schlussfolgerung „niedriger Goalimpact = schwacher Spieler“.

GoalImpact geht davon aus, dass Fußballspieler ihre Höchstleistung mit 26 abrufen. Darum zeigen die Diagramme zwei Linien. Zum einen den aktuellen GoalImpact eines Spielers (durchgezogene dunkelrote Linie), die Linie bewegt sich zusätzlich auch aufgrund von Alterung. Und zum anderen eine Prognose wie gut der Spieler mit 26 sein wird (gestrichelte hellrote Linie), so wie sie vom Algorithmus an dem entsprechenden Datum gestellt wurde. Ändert sich die Linie, so ändert sich die Einschätzung des Spielers. Auch nach dem 26. Geburtstag ändert sich die gestrichelte Linie noch. Dann ist es ein Zeichen, dass der Spieler langsamer (steigende Linie) oder schneller (fallende Linie) als erwartet altert.

Spieler

Hier die detaillierten Graphen von ein paar ausgewählten Schalkern…

Bei Jermaine Jones gehen die Meinungen weit auseinander. Die einen sagen er sei der einzige der kämpft, die anderen meinen er ist für das Gros der Gegentore verantwortlich. Auch hier im Blog habe ich schon häufiger erwähnt, dass Jones Spielweise nicht mehr zu der von Schalke 04 im Allgemeinen passt. Er spielt sehr Mannorientiert in einer Mannschaft, die sich fast komplett am Raum ausrichtet.

Nichtsdestotrotz ist er natürlich kein schlechter Fußballer. GoalImpact bewertete ihn seit 2003 mit einem Höchstwert von 110 bis 120. Er hat sich also seit dem genau wie erwartet entwickelt. Jede Änderung des Goalimpact war im Wesentlichen nur der normalen Alterung geschuldet und kam daher nicht überraschend. Insbesondere die aktuelle schlechte Saison war völlig absehbar. Nimmt man hinzu, dass er nicht mehr ins System passt, ist sein Abschied die logische Konsequenz.

Während Jones Stern in der Hinrunde wohl final unterging, ging ein anderer strahlend auf, der von Max Meyer. Mit 26 Jahren wird er konstant mit einem GoalImpact von 140 bis 150 erwartet. Wenn er das halten kann, dann wird er mal einer der besten Spieler der Welt und in der Top-Liste auftauchen. Bis dahin muss er aber noch hart arbeiten, es dauert schließlich noch 8 Jahre.

Das gleiche wie für Meyer trifft auf Julian Draxler zu. Nur, dass dieser schon ein wenig weiter in der Entwicklung ist, weil er älter ist. Oft wurde er zuletzt kritisiert, dass er zu unkonstant spiele. Zusätzlich hatte er ein bis zwei Schwächephasen im Jahr 2013. Das kann man auch am GoalImpact erkennen, da er sich leicht (!) schlechter entwickelt hat als zu erwarten war. Hoffentlich fängt er sich wieder, bei Leistungen wie im letzten Champions League Spiel gegen Basel sollte das kein Problem für ihn sein.

Mannschaft

GoalImpact errechnet allerdings nicht nur die einzelnen Werte der Spieler, sondern auch Durchschnittswerte von Mannschaften. Hier wird das Mittel aller eingesetzten Spieler errechnet. Macht man daraus eine Tabelle sieht die Top 5 so aus: Bayern München (GoalImpact von 140,9), Borussia Dortmund (122,3), Schalke 04 (112,1), VfL Wolfsburg (111,7), Bayer Leverkusen (111,1). Der VfB Stuttgart auf Platz 6 hat schon mehr als 3 GoalImpact Punkte weniger und Hannover auf Platz 14 ist die letzte Mannschaft mit einem GoalImpact von knapp über 100.

Diese Mannschaftsbewertung liefert eine Metrik für den Soll-Ist-Vergleich. Ähnlich wie Kadergehälter bietet der Mannschafts-GoalImpact einen Wert zur Überprüfung der Einschätzung, bzw. der Erwartungshaltung, und ob diese eintrifft. Daraus kann man einen Performanzindikator ableiten.

Bayern München etwa zahlt die höchsten Gehälter der Liga und hat den höchsten Mannschafts-GoalImpact, dass sie ganz oben stehen ist dementsprechend nicht verwunderlich. Die Bayern performen also wie erwartet.

Der 1. FSV Mainz dagegen kann keine so hohen Gehälter zahlen. Transfermarkt beziffert den Marktwert aller Mainzer Spieler auf 44,3 Mio €, Platz 16 in der Bundesliga. Ähnliches gilt für den GoalImpact, der sich mit 99,85 deutlich im unteren Teil der Tabelle wieder findet (Platz 15). In der Bundesliga findet sich Mainz allerdings relativ weit oben wieder (Platz 8), übertrifft die statistischen Erwartungen also deutlich. Da für die Mannschaft immer der Trainer verantwortlich ist, sprechen wir davon, dass Thomas Tuchel ein over-performer ist.

Auf Schalke sieht die Sache ein bisschen anders aus. Bei Transfermarkt ist Schalke auf dem dritten Platz gelistet, mit einem Marktwert von 188,3 Mio €, direkt hinter den Bayern (483,4 Mio €) und Dortmund (294,2 Mio €). Ähnlich sieht es, wie oben gezeigt mit dem GoalImpact aus. Doch gegen der statistischen Erwartung liegt Schalke auf Platz 7. Jens Keller ist dementsprechend ein under-performer.

Fazit

Bei aller Statistik spricht dabei aber auch einiges für Schalke. Der Kader ist schließlich prinzipiell sehr gut und das Potential auf höhere Tabellenplätze definitiv gegeben. Wenn jetzt noch häufiger auf Jones verzichtet werden würde (und nach den Wechselabsichten anscheinend auch wird), wäre der Abstand zu Platz vier und fünf auch mehr als 1 Goalimpact-Punkt.

Auch Verletzungsausfälle haben natürlich so ihren Einfluss auf den GoalImpact. Sprich: Die These, dass Schalke besser spielen wird, wenn Huntelaar wieder fit ist, wird hier von der Statistik gestützt.

Die Idee sich noch für die Champions League zu qualifizieren ist also kein alberner Traum, sondern Statistisch gesehen ausgemachte Sache. Keller muss nur noch liefern… 😉

Saison 2013/2014, Halbzeitbilanz auf Schalke:
Teil 1: Wo kommen die vielen Gegentore her?
Teil 2: Formationsspielereien. Wie können die Gegentore reduziert werden?
Teil 3: Kaderanalyse. Ist Keller ein under-performer?

4 Replies to “Halbzeitbilanz auf Schalke, Teil 3: Kaderanalyse. Ist Keller ein under-performer?

  1. Ich finds immer wieder erstaunlich, dass sich Spielverlagerung und Goalimpact bezüglich Neustädter so einig sind – während er in der öffentlichen Wahrnehmung weitestgehend unter dem Radar fliegt.

    Fließt beim gemittelten Mannschafts-GI die Einsatzzeit der Spieler mit ein oder allgemein nur die eingesetzten Spieler geteilt durch n?

  2. Das ist ja nicht nur eine zufällige Übereinstimmung von Spielverlagerung und GoalImpact. Jeder, der sich ein paar Spiele etwas analytischer und objektiver anguckt, sieht ja recht schnell was für ein Juwel der Herr Neustädter ist. Nur ist diese herangehensweise eben nicht die, die zu der „öffentlichen Wahrnehmung“ führt.

    Soweit ich weiß rechnet GoalImpact tatsächlich auch Einsatzzeiten ein.

  3. Ja, mir macht das so ein bisschen die Interaktionen oder die gespielten Positionen kaputt! Höger war auf der Doppel-6 neben Neustädter teilweise brilliant (wobei die 90%er Passqoute natürlich eher am Herumgeschiebe unter Keller liegt), neben Jones dagegen eher katastrophal. Notstopfen auf hinten rechts gab es ja auch schon mal…

    Viel interessanter wäre es statistisch die besten Positionen für die Spieler zu bestimmen oder gleich die beste Mannschaftsaufstellung.

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